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Die Drogeriekette bewirbt ihre Produkte als "umweltneutral"
Aus "klima- wird umweltneutral", behauptet dm. Bild: Screenshot dm vom September 2021

Greenwashing: Wie "umweltneutral" sind dm-Produkte?

Der Drogeriekonzern dm bietet seit Kurzem „umweltneutrale“ Waren an. Doch Produkte ohne Auswirkung auf die Umwelt kann es gar nicht geben.

Was uns stutzig gemacht hat

„Stell Dir vor, aus klima- wird jetzt sogar umweltneutral“, bewirbt dm seine neue Produktlinie Pro Climate. Wie bitte? Ökologen werden da hellhörig, denn jede Aktivität des Menschen hat Auswirkungen auf die Umwelt. Die Herstellung eines Produktes kann daher nie wirklich neutral sein. Man muss aber gar keine theoretischen Überlegungen anstellen. Ein aufmerksamer Leser fragte sich einfach, wie man ein Toilettenpapier, das nicht einmal Recycling-Papier sei, als umweltneutral bezeichnen könne. Für uns Grund genug, genauer zu überprüfen, wie die Umweltneutralität à la dm aussieht.

Der Check

„Der große Schritt“ laut dm besteht darin, dass neben der Auswirkung auf das Klima vier weitere negative Umweltwirkungen reduziert werden: die Eutrophierung (Belastung der Gewässer), die Versauerung der Böden, der Sommersmog sowie der Abbau der Ozonschicht. Mit dem Begriff der Umweltneutralität suggeriert dm, dass ein Produkt keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt hat. Dieser Anspruch wird aber gleich wieder relativiert, indem nur auf die vermeidbaren Auswirkungen abgestellt wird. Die „verbleibenden, nicht vermeidbaren“ Effekte will man kompensieren bzw. monetarisieren, also Geld in angebliche Kompensationsprojekte investieren.

Umweltschäden nicht immer ausgleichbar

In der Tat lassen sich die vier genannten Umweltschäden nicht so einfach ausgleichen, wie dies bei Treibhauseffekten üblich ist, nämlich durch das Pflanzen von Bäumen. So gibt es für die Bildung des bodennahen Ozons (Sommersmog) keine Ausgleichsmaßnahmen. Das könnte nur durch Einschränkungen, etwa des Verkehrsaufkommens, erfolgen. Deshalb behilft dm sich damit, die verursachten Umweltschäden zu monetarisieren, also einen Geldbetrag zu definieren, der dann in Renaturierungsprojekte investiert wird. Doch die Bewertung natürlicher Flächen ist letztlich willkürlich. Außerdem gibt es Umweltschäden, die irreversibel und damit nicht bewertbar sind – etwa, wenn Arten aussterben oder Permafrostböden auftauen.

Produktpalette wenig umweltfreundlich

Davon abgesehen muss die Frage gestattet sein, warum dm sich ausgerechnet auf die genannten vier Umwelteffekte konzentriert, denn es gibt eine Reihe anderer, die durchaus brisanter wären; etwa der Wasserverbrauch oder die Human- bzw. Ökotoxizität (also z.B. die schädigende Wirkung von Chemikalien auf Mensch und Umwelt). Kommen wir zum kritisierten Klopapier. Es wird aus Sägewerksabfällen erzeugt, ist also tatsächlich kein Recyclingpapier. Es besteht aber aus Holzresten, die zwangsläufig anfallen. Dennoch stellt sich die Frage, warum man nicht auf rezyklierte Fasern setzt, wie es etwa das Österreichische Umweltzeichen für Hygienepapier fordert. Insgesamt sind es aktuell 15 Produkte, die das Pro-Climate-Logo tragen, darunter Körperpflegeprodukte (Shampoo, Deo, …) und Reinigungsmittel (Waschmittel, Spülmittel). Zur Information: dm bietet ein Gesamtsortiment von 13.000 Artikeln.

Alverde-Körperlotion

Die Alverde-Körperlotion behauptet umweltneutral zu sein
Die Alverde-Körperlotion von dm Bild: Konstantinoudi/VKI

Alverde-Körperlotion von dm, ein angeblich umweltneutrales Produkt

Was sagt dm dazu?

Bei der Frage, ob mit dem Begriff der Umweltneutralität nicht falsche Vorstellungen bei den Konsumenten geweckt werden, macht dm sozusagen aus der Not eine Tugend. Es sei ja klar, dass es „weder möglich noch sinnvoll [sei], für die fünf definierten Wirkungskategorien einen unmittelbaren stofflichen Ausgleich für die Umweltschäden vorzunehmen“.

Ausgleich durch Kosten statt Material

Der Ausgleich entstünde durch die verursachungsgerechte Umrechnung der Umweltschäden in Umweltkosten. Durch diesen „derzeit einzigartigen“ Ansatz würden die Pro-Climate-Produkte „umweltneutral gestellt“. Was das Toilettenpapier betrifft, so würden die Fasern aus Sägewerksabfällen „auf der Haut oftmals als etwas angenehmer empfunden als Recyclingmaterial“. Warum gerade die fünf Wirkkategorien und keine anderen? Andere Umweltwirkungen seien mit vielen Unsicherheiten verbunden, für eine Monetarisierung stünden keine anerkannten Methoden zur Verfügung. 

Fazit: Hält das grüne Versprechen?

Der Drogeriekonzern bekennt es ja selbst: Umweltneutralität gibt es de facto nicht. Dennoch wirbt er mit dem Begriff. Klingt ja auch viel spektakulärer, als bekennen zu müssen, dass man erst komplizierte Umrechnungen vornehmen muss, um damit die eigenen Produkte „umweltneutral zu stellen“. Man hat dafür solche Umweltwirkungen gewählt, mit denen das noch einigermaßen gelingt. Auf die Berücksichtigung anderer (durchaus wichtiger) Wirkungen hat man mangels Durchführbarkeit verzichtet.

Kunden im Informationsnachteil

Von all dem erfährt der Kunde nichts. Er glaubt, ein Produkt zu erstehen, das keine Folgen für die Umwelt hat. Nur Interessierte werden sich die Mühe machen, in einer aufgelegten Broschüre oder im Internet Näheres zu erfahren. Zugutehalten kann man dm, dass die Maßnahmen zur Verringerung
der Umweltwirkungen auf hohem Niveau und mit wissenschaftlicher Begleitung erfolgen.

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