Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Generali Versicherung AG (Generali) wegen Klauseln aus deren Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung geklagt. Anlass für die Verbandsklage war unter anderem eine Klausel, die es der Generali erlaubt, Deckungen bei COVID-19-bedingten Rechtsstreitigkeiten abzulehnen. Der Oberste Gerichtshof (OGH) bestätigte nun die Gesetzwidrigkeit dieser Klausel.
Laut den Rechtsschutzbedingungen der Generali besteht kein Versicherungsschutz „für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind“ (Ausnahmesituationsklausel). Der OGH beurteilte diese Klausel aufgrund des Begriffes „Ausnahmesituation“ als intransparent und daher unzulässig.
Der Begriff „Ausnahmesituation“ ist – wie der OGH ausführt – so unbestimmt, dass im allgemeinen Sprachgebrauch keine klaren Kriterien bestehen, die eine zweifelsfreie Zuordnung jeder möglichen Situation entweder als Regelfall oder als Ausnahme zulassen. Der OGH bestätigte die Ansicht des Berufungsgerichts, wonach der Begriff „Ausnahmesituation“ zahlreiche Interpretationen zulässt, die von der bloß unüblichen Situation bis hin zum nicht beherrschbaren außerordentlichen Zufall reichen. Da der Verbraucher aber die Reichweite des Risikoausschlusses – und damit seine Rechtsposition – nicht verlässlich abschätzen kann, besteht laut OGH die Gefahr, dass er aufgrund des unbestimmten Begriffs „Ausnahmesituation“ davon absieht, allenfalls berechtigte Ansprüche gegen den Versicherer geltend zu machen.
„Der OGH hatte sich zum ersten Mal im Rahmen eines Verbandsverfahrens mit der Ausnahmesituationsklausel zu befassen und diese nun für unzulässig erklärt“, kommentiert Mag. Marlies Leisentritt, zuständige Juristin im VKI, die richtungsweisende Entscheidung des Höchstgerichts. „Wir fordern folglich alle Versicherer auf, sich nicht mehr auf diese Klausel zu berufen und den betroffenen Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmern nun endlich die Rechtsschutzdeckung zu gewähren, die ihnen zusteht.“
SERVICE: Das Urteil im Volltext gibt es auf www.verbraucherrecht.at/Generali122022.