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VKI: EasyJet verweigerte Passagier die Beförderung – laut OGH zu Unrecht

Fluggesellschaft überschritt ihre Befugnisse im Zuge der Überprüfung behördlicher Dokumente

Die Fluggesellschaft EasyJet UK Limited („EasyJet“) verweigerte einem irakischen Staatsbürger aufgrund eines vermeintlich fehlenden Visums einen Flug von Wien nach London. Eine vorhandene gültige Aufenthaltskarte, die zur visumsfreien Einreise berechtigte hätte, wurde von EasyJet nicht akzeptiert. Denn das Unternehmen ging davon aus, dass der Betroffene die Voraussetzungen für die – behördlich ausgestellte – Aufenthaltskarte in Wirklichkeit nicht erfülle. Die Beförderungsverweigerung war unzulässig, entschied der Oberste Gerichtshof (OGH) nun in einem vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) geführten Verfahren. EasyJet muss in der Folge die Kosten für die verfallenen Flugtickets erstatten und Ausgleichszahlung leisten – und zwar doppelt: an den Betroffenen und seine mitreisende Ehefrau. Die Ehefrau hätte ihr Ticket zwar in Anspruch nehmen können, doch die Beförderungsverweigerung des Ehemannes kam letztlich auch einer Beförderungsverweigerung seiner Frau gleich, so das Gericht.

Eine Österreicherin plante für Mai 2018 mit ihrem Ehemann, der die irakische Staatsbürgerschaft besitzt, einen Kurzaufenthalt in London und buchte bei EasyJet Flugtickets. Der Ehemann verfügte über eine von den österreichischen Behörden ausgestellte gültige Aufenthaltskarte, die ihn zur visumsfreien Einreise in die EU-Mitgliedstaaten berechtigte – somit zum damaligen Zeitpunkt auch zur Einreise nach Großbritannien. Am Flughafen Wien-Schwechat verweigerte EasyJet dem irakischen Staatsbürger jedoch die Beförderung mit der Begründung eines fehlenden Visums. Die von ihm vorgezeigte Aufenthaltskarte berechtige laut EasyJet nicht zur visumsfreien Einreise, da die Voraussetzungen für die Ausstellung dieser Karte nicht erfüllt worden seien.

Im Auftrag des Sozialministeriums klagte der VKI EasyJet auf Rückerstattung der Kosten für die nicht genutzten Flugtickets von rund 420 Euro sowie auf Ausgleichszahlung in der Höhe von 250 Euro pro Person – mit Erfolg: Der OGH urteilte, dass die Aufenthaltskarte, in dessen Besitz der irakische Staatsbürger war, sehr wohl zur visumsfreien Einreise nach Großbritannien berechtigt hätte. Easy Jet hatte keinen Grund zur Annahme, dass die österreichischen Behörden die Aufenthaltskarte fälschlicherweise ausgestellt hätten. EasyJet konnte auch nicht nachweisen, dass die britischen Behörden die Aufenthaltskarte nicht akzeptiert hätten. Somit hätte EasyJet dem irakischen Staatsbürger die Beförderung nicht verweigern dürfen.

„EasyJet hat sich hier die Befugnis angemaßt, zu hinterfragen, ob die Aufenthaltskarte von den österreichischen Behörden rechtmäßig ausgestellt wurde. Die Überprüfung eines solchen Dokuments hat sich rein auf die Echtheit und die Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben zu beschränken. EasyJet hatte bei dieser Aufenthaltskarte keine konkreten Anhaltspunkte, die auf einen Rechtsmissbrauch oder Betrug geschlossen hätten“, kommentiert VKI-Juristin Mag. Verena Grubner das Urteil.

„EasyJet muss in diesem Fall aber gleich doppelt zahlen“, so Mag. Grubner weiter. „Die unberechtigte Verweigerung der Beförderung eines Reisenden kommt nämlich auch einer Beförderungsverweigerung gegenüber den mitreisenden Familienmitgliedern gleich. Der Flug war Gegenstand einer gemeinsamen Buchung, womit die Fluggesellschaft zur gemeinsamen Beförderung verpflichtet gewesen wäre. EasyJet hat den beiden Konsumenten daher die Kosten für die Flugtickets zurückzuerstatten und eine Ausgleichszahlung in der Höhe von 250 Euro pro Person zu leisten.“

SERVICE: Das Urteil im Volltext gibt es auf www.verbraucherrecht.at/easyjet042022.

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