Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die BAWAG P.S.K. (BAWAG) geklagt. Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob Banken während der gesetzlich angeordneten, pandemiebedingten Kreditstundung (Kreditmoratorium) Sollzinsen verlangen dürfen. Die gesetzliche Regelung hatte dazu nicht ausdrücklich Stellung genommen. Der Oberste Gerichtshof (OGH) entschied Anfang 2022 zu Gunsten der Verbraucher:innen. In der Folge brachten über 400 österreichische Banken einen Gesetzesprüfungsantrag beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) ein, um die Regelung nachträglich zu Fall zu bringen. Hier stellte der VfGH vor kurzem klar, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Der VKI fordert die Banken daher auf, von sich aus tätig zu werden, die Zinsen zu refundieren und die Konten der betroffenen Verbraucher:innen bei laufenden Krediten richtigzustellen.
Zum Schutz der durch die Pandemie in finanzielle Not geratenen Verbraucher:innen hatte der Gesetzgeber mit 01.04.2020 eine gesetzliche Regelung eingeführt, die eine zehnmonatige Stundung der Ansprüche des Kreditgebers auf die Zinsen vorsah (2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz zum Kreditmoratorium). Zugute kam die Regelung Verbraucher:innen, die aufgrund der durch die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einkommensausfälle hatten, sodass ihnen die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar war.
Der gesetzlichen Regelung war jedoch nicht klar zu entnehmen, ob die vertraglichen Sollzinsen im Stundungszeitraum verrechnet werden dürfen. Zur Klärung brachte der VKI daher im Auftrag des Sozialministeriums eine Klage ein. Der OGH gab der Klage des VKI Anfang 2022 statt: Sofern zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer keine anderslautende, einvernehmliche Regelung zustande kam, fallen für den zehnmonatigen Stundungszeitraum keine Zinsen an.
Seit der Veröffentlichung der OGH-Entscheidung haben sich allerdings nur zwei Banken zur Rückzahlung an die Verbraucher:innen verpflichtet – die Santander Consumer Bank und die bank 99. Demgegenüber schlossen sich über 400 Banken dem Gesetzesprüfungsverfahren beim VfGH an, um die Regelung im 2. COVID-19-JuBG entgegen der Einschätzung der verbraucherfreundlichen Entscheidung des OGH zu Fall zu bringen. Dieser Antrag wurde vom VfGH in seiner am 30.12.2022 veröffentlichten Entscheidung abgewiesen.
Der VfGH hält fest, dass die angefochtene Regelung im öffentlichen Interesse liegt und die Europäische Zentralbank (EZB) zu Gunsten der Banken zahlreiche geldpolitische und bankaufsichtsrechtliche Maßnahmen gesetzt hat, um die Folgen der Pandemie für Banken abzumildern. Vor diesem Hintergrund war es sachlich gerechtfertigt, die Kosten des Kreditmoratoriums den Kreditinstituten aufzuerlegen.
„Wir fordern daher alle Banken auf, bei laufenden Krediten die zu Unrecht verrechneten Zinsen von sich aus auf den Kreditkonten rückwirkend gutzuschreiben“, so Mag. Thomas Hirmke, Leiter des Bereichs Recht im VKI. “Sollten Betroffene keine Refundierung erhalten, können sie sich an den VKI wenden.“
Nach Angaben der Bankenvertreter im Verfahren vor dem VfGH ist damit zu rechnen, dass rund 100 Millionen Euro an Zinsen zu refundieren sind.
SERVICE: Weitere Informationen zum Erkenntnis des VfGH gibt es auf www.verbraucherrecht.at.