Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Generali Versicherung AG (Generali) wegen mehrerer Klauseln aus deren Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung geklagt. Unter anderem richtete sich die Klage gegen eine Klausel, die es der Generali erlaubt, Deckungen bei COVID-19-bedingten Rechtsstreitigkeiten abzulehnen. Weiters wurde eine Klausel für unzulässig befunden, nach der sich der Versicherungsvertrag bei bloßem Schweigen der Versicherungsnehmer automatisch verlängert. Das Handelsgericht (HG) Wien erklärte nun alle eingeklagten Klauseln für gesetzwidrig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Laut den Rechtsschutzbedingungen der Generali besteht kein Versicherungsschutz „für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind“ (Ausnahmesituationsklausel). Das HG Wien beurteilte diese Klausel sowohl als gröblich benachteiligend als auch als intransparent: Denn nach der Klausel besteht allein dann schon kein Versicherungsschutz für Rechtsstreitigkeiten, wenn diese in einem wie auch immer gearteten „Zusammenhang“ mit jeglicher Form von „hoheitlichen Maßnahmen“ stehen, die in einer bloß vom „Normalfall“ abweichenden Situation erlassen werden und von der mehrere betroffen sind. Dieser überaus weite Ausschluss weicht von den berechtigten Erwartungen der Versicherungsnehmer ab, die Rechtsschutz benötigen. Eine sachliche Rechtfertigung für einen derart unbestimmten Ausschluss kann das Gericht nicht erkennen. Überdies enthalte die Klausel gleich mehrere unbestimmte Begriffe, wie etwa „Ausnahmesituation“, „hoheitsrechtliche Anordnung“ oder „Personenmehrheit“.
„Es gibt wegen derartiger Klauseln zwar schon mehrere Urteile, die der VKI gegen verschiedene Versicherer erwirkt hat – unter anderem ein rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts Wien. Dennoch erreichen uns noch immer Beschwerden, dass andere Versicherer solche Klauseln weiterhin anwenden und Konsumentinnen und Konsumenten der Rechtsschutz bei pandemiebedingten Rechtsstreitigkeiten verwehrt wird“, kritisiert Mag. Marlies Leisentritt, zuständige Juristin im VKI. „Es ist höchste Zeit, dass die Versicherer nun endlich einlenken und derartige Klauseln nicht mehr zur Anwendung kommen.“
Eine weitere Klausel sieht vor, dass sich der Versicherungsvertrag auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn die Kündigung des Versicherungsnehmers nicht spätestens einen Monat vor Ablauf der Vertragsdauer beim Versicherer einlangt. Damit sich ein Vertrag durch ein „Nicht-Tätigwerden“ wirksam verlängern kann, muss sich der Unternehmer bereits in der zugrundeliegenden Klausel dazu verpflichten, die Verbraucher rechtzeitig auf die Bedeutung ihres Verhaltens hinzuweisen. Die vorliegenden Rechtsschutzbedingungen enthalten eine solche Hinweispflicht über die Folgen des Schweigens der Versicherungsnehmer nicht. Die Klausel ist daher gesetzwidrig.
Nach einer anderen Klausel besteht kein Versicherungsschutz, wenn der Versicherte bereits mindestens einmal rechtskräftig wegen eines einschlägigen Vorsatzdeliktes verurteilt wurde. Diese Klausel ist gröblich benachteiligend. Denn nach dem Tilgungsgesetz gilt ein Verurteilter fortan als gerichtlich unbescholten, wenn eine Verurteilung getilgt ist. Das bedeutet, dass ihm die Tat und die Verurteilung nicht mehr vorgehalten und nicht mehr zum Nachteil eines Verurteilten verwendet werden dürfen.
SERVICE: Das Urteil im Volltext gibt es auf www.verbraucherrecht.at/Generali042022.