Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) hat mit seinen heutigen Schlussanträgen eine weitere Klarstellung zum VW-Abgas-Skandal vorgenommen. Die verwendete temperaturgesteuerte Abschalteinrichtung ist illegal. Folgt der EuGH in seinem Urteil – welches für die nächsten Monate erwartet wird – dieser Entscheidung, dann ist auf europäischer Ebene klargestellt, dass auch diese Manipulationen von VW EU-rechtswidrig waren. Das bringt weiteren Rückenwind für die 16 VKI-Sammelklagen gegen VW: Dort haben sich die Gerichte mittlerweile im Wesentlichen auf die Feststellung der Schadenshöhe konzentriert. Eingeklagt sind 20 Prozent des bezahlten Kaufpreises. Eine weitere Abschalteinrichtung kann den Schaden vergrößern und unter Umständen sogar zu einem Entfall einer Zulassung führen.
Vor sechs Jahren – im September 2015 – hatte Volkswagen (VW) eingestanden, Dieselmotoren der Marken VW, Audi, SEAT und Skoda mit Hilfe einer Motorsteuerungssoftware manipuliert zu haben, um den Stickstoffausstoß bei Abgastests zu senken. Seit damals beschäftigt der VW-Dieselskandal die Gerichte.
In den betroffenen Fahrzeugen ist eine weitere Abschalteinrichtung verbaut, die abhängig von der Außentemperatur die Abgasrückführungsrate in weiten Temperaturbereichen reduziert. Dies führt im Ergebnis dazu, dass bei den in Österreich und Deutschland meist herrschenden Temperaturen keine oder nur eine eingeschränkte Abgasreinigung erfolgt.
Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof hat mit seinen heutigen Schlussanträgen diese Abschalteinrichtung als unzulässig beurteilt. Diese Abschalteinrichtung dient auch nicht – wie von VW behauptet – dem Schutz des Motors und stellt daher auch keine Ausnahme dar. In den meisten Fällen folgt der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil diesen Schlussanträgen.
Das bringt weiteren Rückenwind für die VKI-Sammelklagen. In diesen hatten sich die jeweiligen Richter zunehmend auf die Frage der Schadenshöhe konzentriert, nachdem der deutsche Bundesgerichtshof am 25.05.2020 bereits bestätigt hatte, dass VW arglistig und aus reinem Gewinnstreben gehandelt hat und der Schaden des Käufers bereits mit Abschluss des Kaufvertrags entstanden ist. Zuletzt hatte der deutsche Bundesgerichtshof auch den vom VKI in Österreich geltend gemachten Schaden bereits dem Grunde nach bestätigt.
Der VKI hat in den 16 Sammelklagen einen Minderwert der betroffenen Fahrzeuge im Kaufzeitpunkt geltend gemacht und einen Abzug von 20 Prozent des Kaufpreises eingeklagt. Der Gesamtstreitwert aller Klagen beträgt 60 Millionen Euro. Nach Ansicht des VKI haben die Käufer zumindest um diesen Betrag seinerzeit zu viel bezahlt, weil die Fahrzeuge den vollen Kaufpreis nicht wert waren. Gerichtsgutachten in anderen Verfahren belegen auch einen Schaden zwischen mindestens 10 bis 30 Prozent.
Anders als in den USA und zuletzt für zigtausende Konsumenten in Deutschland gab es für die österreichischen Geschädigten keinerlei Entschädigungsangebot. Das könnte sich für VW rächen. Entscheidet der EuGH auch das anhängige Folgeverfahren zum Thermofenster in der heute empfohlenen Weise, könnte der Schaden der Autobesitzer größer sein als bisher angenommen. Das sogenannte Thermofenster führte im Anlassfall nämlich dazu, dass eine volle Abgasreinigung nur zwischen 15 und 33 Grad Celsius erfolgt.
„VW hat damit offensichtlich wieder rechtswidrig getrickst. Folgt der EuGH diesen Schlussanträgen, bedeutet das auch Rückenwind für die 10.000 Sammelkläger in den Sammelklagen des VKI. Denn dann gibt es ein weiteres Argument dafür, dass die Käufer zu viel für Fahrzeuge mit mehrfach unzulässigen Abschalteinrichtungen bezahlt haben. Außerdem droht im Worst Case ein Verlust der Zulassung oder Maßnahmen zur Nachrüstung der Fahrzeuge. Das würde für VW zu weiteren Milliardenzahlungen führen“, erläutert Mag. Thomas Hirmke, Leiter des Bereichs Recht im VKI.